Vincent Neussl im Interview über Konfliktrohstoffe und den Koltanabbau in der Demokratischen Republik Kongo

Vincent Neussl im Interview über Konfliktrohstoffe und den Koltanabbau in der Demokratischen Republik Kongo

„Fungamwaka, eine Mine im Osten des Kongos. Diese Männer arbeiten damit wir telefonieren können.“ Ein neuer Kurzfilm führt mit diesen Worten in die dramatische Situation hunderttausender Kleinschürfer im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ein. Diese Menschen bauen unter teils lebensgefährlichen Bedingungen und in erbärmlichen Lebensverhältnissen Koltan ab, das in unseren Handys landet. Vielfach finanzieren sich Milizen direkt oder indirekt vom Koltanabbau, der so zu einer Verschärfung der Konflikte in einer ohnehin sehr fragilen Region beiträgt.

Anfang Februar 2016 beschäftigen sich die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und Regierungsvertreter der EU-Mitgliederländer wieder mit der Eindämmung des Handels mit Konfliktrohstoffen. Im Interview berichtet Vincent Neussl, MISEREOR-Länderreferent für die Demokratische Republik Kongo, von den Arbeitsbedingungen der Kleinschürfer und schildert die Möglichkeiten diesen Menschen zu helfen sowie Einfluss auf politische Prozesse in der EU zu nehmen.

Warum begeben sich im Kongo viele Menschen in den Kleinbergbau, um Koltan abzubauen?

Koltan ist ein mineralischer Rohstoff, der einen vergleichsweise hohen Wert hat und bei uns in der Herstellung von moderner Technologie extrem gefragt ist. Im Kleinbergbau kann er mit relativ wenig Fachwissen abgebaut werden. Das macht es sehr attraktiv für Menschen, die zum Teil vom Bürgerkrieg vertrieben wurden, sich in diesen Kleinbergbau hineinzubegeben. Er schafft Arbeitsplätze und ist eine attraktive und manchmal die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. Als relativ hochpreisiger Rohstoff ist es aber auch für lokale Akteure mit politischem oder militärischem Einfluss attraktiv, die Abbaugebiete zu kontrollieren. Guerillagruppen oder auch die Armee lassen sich oft über Exportabgaben finanzieren. Für sie ist Koltan eine gute Einnahmequelle.

Unter welchen Bedingungen arbeiten die Kleinschürfer?

Der Abbau ist ein sehr gefährliches Geschäft. Oft werden mit Hacken und Schaufeln tiefe Stollen in Sedimente gegraben, die irgendwann kollabieren. Es gibt sehr oft Erdrutsche und Wassereinbrüche. Die Kleinschürfer verdienen zwar deutlich mehr als andernorts. Trotzdem können sie in aller Regel kein Geld zum Sparen zurücklegen. Einerseits müssen sie etwa 50 Prozent des Gewinns an die Landbesitzer abführen. Zudem steigen in den Abbauregionen die Preise für Lebensmittel, Wasser und Unterkünfte enorm an. Die allermeisten Kleinschürfer finden wenig Koltan und verschulden sich, um Essen und eine bescheidene Unterkunft zu bezahlen. Es ist ein extrem hartes Leben. Nichtsdestotrotz ist der Kleinbergbau auch unter diesen Konditionen eine Option, die zurzeit wohl ein bis zwei Millionen Kongolesen, zumindest zeitweise, wählen.

Welche Möglichkeiten gibt es, den Menschen im Kleinbergbau zu helfen?

Es muss mehr Kapital in den Kleinbergbau fließen und der Sektor braucht eine formale Struktur. Insgesamt wird einfach zu viel Geld abgeschöpft. Die Kleinschürfer haben zu wenige Möglichkeiten, sich zu organisieren, Geld zu sparen und in Richtung eines kleinen Unternehmens zu wachsen. Daher muss vor allem die Verhandlungsmacht der Kleinschürfer gestärkt werden, damit sie nicht gnadenlos ausgebeutet werden. Unsere Partnerorganisationen setzen sich vor Ort dafür ein, dass die Kleinschürfer nicht nur in Kooperativen organisiert werden, sondern da auch wirklich etwas zu sagen haben und an Entscheidungen und Gewinnen beteiligt sind.

Was tut MISEREOR in Deutschland und Europa, um dem Handel mit Konfliktrohstoffen entgegenzuwirken?

Wir haben drei Lobbyreisen mit der kongolesischen Bischofskonferenz nach Europa durchgeführt. Das hat in Berlin, Brüssel und in anderen europäischen Hauptstädten bereits sehr viel Druck aufgebaut. In der EU wird gerade über eine Richtlinie zur Eindämmung des Handels mit Konfliktrohstoffen verhandelt. Wir setzen uns für eine gesetzlich verbindliche Regulierung ein, welche die Unternehmen nur dazu verpflichtet, ihre Wertschöpfungsketten offenzulegen und möglichst auszuschließen, dass irgendwo Schaden angerichtet wird. Anders als oft behauptet knebelt diese Regelung keineswegs die Industrie. Die Firmen müssen nicht garantieren, dass der bezogene Rohstoff sofort hundert prozentig konfliktfrei ist, aber, dass Sie eben ihr Möglichstes tun, um dieses Risiko nach und nach auszuschließen. Das Risiko für die Unternehmen ist jedoch, dass irgendjemand ihre Angaben nachvollzieht. Die Gefahr des Imageschadens bei Betrug ist deutlich größer.

Das Interview finden Sie online hier

© Roland Brockmann/Misereor

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Erscheinungsdatum

21 Januar 2016

Themen

Konfliktrohstoffe