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Veranstaltungsrückblick Side-Event: Politischer Stillstand und regionale Konfliktdynamiken - wie kann Frieden in der Region der Großen Seen gelingen?
Einführung
Am 6. Juni 2024 fand im Rahmen des FriEnt PeaceBuilding Forums das Side-Event "Politischer Stillstand und regionale Konfliktdynamiken - wie kann Frieden in der Region der Großen Seen gelingen?" statt. Organisiert wurde es vom Ökumenischen Netz Zentralafrika (ÖNZ) e.V. in Zusammenarbeit mit Misereor und Brot für die Welt. Expert:innen und Aktivist:innen aus verschiedenen Bereichen kamen zusammen, um Strategien zur Entschärfung der Konflikte in der Region der Großen Seen in Zentralafrika zu diskutieren. Die Diskussionsrunde wurde von Dr. Antje Herrberg vom College of Europe moderiert. Auf dem Panel waren Jean Baptiste Bizimana von der Association Modeste et Innocent, Dr. Paul-Simon Handy vom Institute of Security Studies, Evariste Mfaume von Solidarité des Volontaires pour l’Humanité und Passy Mubalama von Action and Development Initiative for the Protection of Women and Children vertreten.
Seit November 2021 kämpfen in den östlichen Provinzen der Demokratischen Republik Kongo die kongolesische Armee und die von Ruanda unterstützte M23-Miliz gegeneinander. Die M23 hat Teile von Nord-Kivu eingenommen und steht seit Februar vor der Provinzhauptstadt Goma. Der Konflikt hat Spannungen zwischen den Ländern Ruanda, der DR Kongo und auch Burundi verschärft. Seit über zwei Jahrzehnten leidet die Zivilbevölkerung in den Provinzen Ituri, Nord- und Süd-Kivu unter den andauernden gewaltvollen Übergriffen und nun intensivierten Kämpfen. Aktuell gibt es etwa 5,8 Millionen intern Vertriebene innerhalb der DR Kongo, von denen etwa 1,6 Millionen aufgrund des M23 Konflikts fliehen mussten. Regionale Friedensprozesse sind ins Stocken geraten, während die Gewalt innerhalb der Bevölkerung und die humanitäre Notlage zunimmt. Ruanda hat nicht nur durch seine innenpolitische Entwicklung, sondern auch durch den Handel mit Mineralien mitunter einen Einfluss auf regionale Konflikte. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage widmete sich das Side-Event der Frage nach den aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und den Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit in der Region.
Während des Side-Events wurden, basierend auf dem Input von Dr. Paul-Simon Hardy, Fragen zu bestehenden Lösungsansätzen und deren Herausforderungen, der Stärkung und Innovation von Initiativen, den entscheidenden Akteur:innen und der Rolle der EU/Deutschland in der Friedensförderung diskutiert.
Ausführungen der Panelist:innen
Zu Beginn der Diskussion wurde ein umfassender Überblick über die historische und aktuelle Situation in der Region der Großen Seen gegeben, welche seit 2020 verstärkt internationale Aufmerksamkeit erhält. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Region seit über dreißig Jahren von Instabilität geprägt ist, ähnlich wie die Sahelzone. Besondere Besorgnis erregte das Erstarken der M23-Miliz, die seit 2019 zunehmend zu Gewalt und Vertreibungen geführt haben und die ohnehin fragile Lage weiter verschärfen. Die oft inkohärenten Konfliktlösungsstrategien und die zögerliche Reaktion der internationalen Gemeinschaft wurden kritisiert, wichtige Faktoren spielen dabei auch die Rolle der DR Kongo und seiner Nachbarstaaten wie Tansania und Burundi. Die Friedens- und Konfliktarchitektur der Region, insbesondere die Beteiligung der Vereinten Nationen, sei entscheidend für die Stabilisierung und auch der Schutz von Minderheiten und die Formalisierung der Rohstoffwirtschaft, insbesondere von Coltan, wurden als dringend erforderlich betont, da weitere Eroberungen der M23 die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtern würden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion lag auf der Bedeutung einer feministischen Perspektive für Friedensinitiativen im Ostkongo. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Partizipation von Frauen und Mädchen in diesen Prozessen entscheidend für die Verbesserung der Konfliktsituation ist. Zudem wurde die prekäre Sicherheitslage in Gebieten wie Goma, aufgrund von militärischen Angriffen, unter anderem durch die Verwendung von Drohnen und Boden-Luft-Raketen, sowie schwerer Artillerie, und die damit verbundene humanitäre Krise, durch Wasser- und Nahrungsmangel, thematisiert.
Auch die Notwendigkeit von Versöhnung und Friedenskonsolidierung in Ruanda und der Region der Großen Seen wurde angesprochen. Hier wurde betont, dass nicht aufgearbeiteten Traumata, insbesondere im Zusammenhang mit dem Genozid in Ruanda, sowie mit der ständigen Angst der Bevölkerung vor der FDLR, eine große Rolle spielen. Kritisiert wurde auch, dass die Angst von der internationalen Gemeinschaft nicht ausreichend ernst genommen würde. Die Zivilgesellschaft in der Region sei aktiv bemüht, politische Lösungen durch Dialog zu finden, jedoch erschweren sowohl interne als auch externe Faktoren diesen Prozess.
Zusätzlich wurde die Rolle der Medien als wichtiges Instrument zur Deeskalation betont. Die Medien sollten dazu beitragen, die Menschen einander näherzubringen und Spannungen zu verringern. Gleichzeitig wurde vor den Risiken einer weiteren Militarisierung der Konflikte gewarnt, insbesondere in Bezug auf potenzielle Spannungen zwischen der DR Kongo, Burundi und anderen Nachbarstaaten. Es wurde hervorgehoben, dass eine Schließung der Grenze zu Ruanda unter den gegenwärtigen globalen Krisen zusätzliche Risiken bergen könnte. Es wurde betont, dass nachhaltige politische Lösungen notwendig seien, da es keine militärische Lösung gebe und der Schutz der Zivilbevölkerung derzeit absolut unzureichend ist.
Empfehlungen der Panelist:innen
In den Diskussionen wurde die Notwendigkeit betont, die Partizipation von Frauen und Mädchen in Friedensinitiativen zu stärken und innovative Ansätze zu entwickeln, die auf lokalen Lösungen beruhen. Es wurde hervorgehoben, dass eine Verbesserung der Lage nur durch die transparente Darstellung der Menschenrechtsverletzungen und der grausamen Situation auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sowie durch eine stärkere Kooperation, insbesondere mit Ruanda, möglich sei.
Des Weiteren wurde betont, dass die internationale Gemeinschaft mehr Aufmerksamkeit auf die Konflikte in der Region der Großen Seen und deren Lösung richten müsse. Soziale Ansätze wie Vergebung, Gerechtigkeit und Heilung wurden als Schlüsselfaktoren für eine langfristige Stabilisierung und Aufarbeitung der Traumata des Genozids in Ruanda genannt. Auch wurde darauf hingewiesen, dass es keine militärische Lösung für die Konflikte in der DR Kongo und Burundi gebe. Stattdessen seien nachhaltige politische Lösungen erforderlich, unterstützt durch provinzielle und internationale Institutionen. Die Rolle der Medien als Vermittler wurde ebenfalls hervorgehoben, um die Bevölkerung besser zu informieren und Vorurteile sowie Spannungen abzubauen.
Abschließend waren sich die Panelist:innen einig, dass nur durch einen inklusiven Ansatz, der sowohl die Zivilgesellschaft als auch staatliche Akteur:innen einbindet, eine nachhaltige Deeskalation der Situation erreicht werden kann. Internationale Akteur:innen, wurden aufgefordert, klarere und pragmatischere Strategien zur Konfliktlösung zu entwickeln und sich besser zu koordinieren. Zudem müsse die internationale Gemeinschaft aufmerksamer werden und zivilgesellschaftliche Ängste, sowie komplexe Situationen, wie in Burundi, ernster nehmen. Auch wurde für einen intensiven Austausch von Expert:innen plädiert.
Wir danken dem Panel sowie allen Beteiligten für den spannenden Austausch. Die ursprüngliche Ankündigung der Veranstaltung finden Sie hier.
